Amalthea Ventures Blog
„Ich habe keine Ahnung, wie das geht“

Als Manager oder Unternehmer kennst du das: Der Tag war voll mit Arbeit, laufend gab es etwas Dringendes zu tun – und am Abend sind die dir wichtigen Dinge wieder nicht erledigt. Dabei bist du mit der Vorstellung in den Tag gestartet, heute endlich einen neuen Kunden zu akquirieren oder das wichtige Investorengespräch vorzubereiten. Doch wie so oft passieren dann einige dieser Dinge:

  • Ein Mitarbeiter steht in der Tür und fragt, ob du mal fünf Minuten Zeit hast (auf seiner Schulter sitzt ein unsichtbarer Affe, aber davon später mehr).
  • Irgendwer hat immer ein Problem, für das du der vermeintliche Experte im Unternehmen bist – etwa für Software-Updates, Serverausfälle oder defekte Leuchtmittel.
  • Du denkst: „Okay, ich mache das schnell, dann ist es erledigt“.

In meinem vorherigen Unternehmen galt ich eine Zeit lang als Experte für Apple und Mac . Wir waren kein IT-Unternehmen – und genau deswegen kamen alle Mitarbeiter zu mir, wenn sie Fragen zu ihrem Mac hatten. Mit ein paar Mausklicks konnte ich meist helfen. Das machte Spaß und gab mir ein schnelles Erfolgserlebnis.

Lieber fünf Mal nachgefragt als einmal nachgedacht (1)

Die Folgen waren verheerend. Irgendwann wurde ich zu jedem technischen Thema befragt. Die Mitarbeiter hatten gelernt, dass es einfacher ist und schneller geht, wenn sie den Chef beauftragen. Ihre Erkenntnis lautete: Wenn ich den Chef frage, erledigt der das für mich.

Die Transferleistung ließ nicht lange auf sich warten, ich bekam immer mehr Aufgaben von meinen Mitarbeitern:

  • bei wichtigen Kunden anrufen
  • schwierige Mitarbeitergespräche führen
  • Angebote überarbeiten und die Rechtschreibfehler korrigieren
  • Projekte managen, die eigentlich einem Mitarbeiter gehören
  • Zahlen raussuchen für Präsentationen
  • Paketdienste übernehmen
  • und vieles mehr

Die Mitarbeiter konnten ihre Aufgaben mit meiner Hilfe schneller erledigen. Nur vergaben sie damit auch jede Chance auf Weiterentwicklung.

„Es geht doch schneller, wenn ich das mache“

Für mich hatte die Situation auch Vorteile. Ich wurde gebraucht und war beschäftigt. Ich hatte das gute Gefühl: «Ohne mich geht es nicht. Ich bin der allwissende Unternehmer, kenne meinen Betrieb in- und auswendig». Meine Arbeitsbelastung stieg laufend an. Stress und Überforderung nahmen zu. Und für meine wichtigen Themen fehlte mir immer öfter die Zeit.

Der Affe auf der Schulter

Die Kehrtwende gelang mir mithilfe der Affengeschichte. Immer wenn heute ein Mitarbeiter in der Tür steht und mir eine Aufgabe geben will, stelle ich mir einen Affen vor, der auf seiner Schulter sitzt. Der Affe ist die Aufgabe. Ich habe die Wahl.

Wenn ich den Affen annehme, sitzt er auf meinem Schreibtisch. Am Ende des Tages ist der Schreibtisch voll mit Affen und ich kann nicht mehr arbeiten. Wenn ich den Affen nicht annehme bleibt er auf der Schulter des Mitarbeiters. Es ist schließlich sein Affe. Ich muss mich also nur darum kümmern, dass mein Mitarbeiter seinen Affen wieder mitnimmt. Immer und auf jeden Fall.

Dafür gibt es ein paar kleine, wirkungsvolle Tricks:

  • Die Affengeschichte mit den Mitarbeitern teilen und ihnen klar sagen: „Ich werde keine Affen mehr annehmen“. Nachdem ich das getan hatte, reichte ein Lächeln, wenn ein Mitarbeiter in der Tür stand und seinen Affen abgeben wollte. Schon nach ein paar Tagen war die Reaktion: „Ach so, der Affe – ich schau mal, wie ich das hinkriege“.
  • Es gibt mindestens acht Lösungen. Der Mitarbeiter sagt: „Ich habe ein Problem“. Ich sage: „Richtig, Du hast ein Problem. Und es gibt mindestens acht Lösungen dafür. Welche willst Du nehmen?“
  • Sagen Sie als Chef: „Ich habe keine Ahnung, wie das geht.“ Zunächst werden die Mitarbeiter verwirrt sein. Bisher war der Chef doch immer der Experte. Wie kann das sein? Sicher ist: Mit der Suche nach Antworten beginnt die aktive Mitarbeiterentwicklung.

Eigene Affen loswerden

Viele Affen auf deinem Schreibtisch hast du selbst dorthin gesetzt. Es sind deine Affen, die dir den Blick verstellen. Wie du sie wieder vom Tisch bekommst und dir Luft für das Wesentliche verschaffst? Indem du dir die folgenden Fragen beantwortest und entschlossen handelst.

  • Welche Aufgaben übernimmst du immer wieder gerne, die auch einer deiner Mitarbeiter erledigen könnte?
  • Welche Aufgaben übernimmst du immer wieder, nur damit sie schnell erledigt sind – und obwohl du deinen Mitarbeitern damit jedes Mal eine Entwicklungschance nimmst?
  • Was willst du eigentlich mit Deiner Zeit anfangen?

Führen oder ausführen – du hast die Wahl

Strategie, Mitarbeiter, Entwicklung, Einkauf, Fertigung, Vermarktung: Als Chef gibst du in allen Bereichen die großen Linien vor, um dein Unternehmen in die Zukunft zu führen. Dafür bist du der Experte. Konzentriere dich darauf und gebe die Verantwortung für alle anderen Aufgaben an deine Mitarbeiter ab. So gewinnst du Freiraum für das Wesentliche und stärkst dein Team, indem du den Mitarbeitern immer neue Entwicklungschancen eröffnest.

(1) Marc-Uwe Kling “Die Känguru-Chroniken”

Bildnachweis: Micha Trillhaase – Fotografie / photocase.de (link: https://www.photocase.de)